Am 3. Juni 2021, um 4.00 Uhr in der Früh ist es soweit. Die lange, mit zwischendurch etwas mulmigem Gefühl ersehnte, grosse Tour durch die Schweiz kann beginnen. Mein Vater und ich stehen um 3.15 Uhr auf – wir sind sofort hellwach und freuen uns auf den kommenden Tag. Nach einer grossen Portion Müsli sind wir bereit und Mario, unser Begleiter und erfahrener Langstreckenradler trifft bei uns ein.
Wünnewil – Schallenberg: Pünktlich um 4.00 Uhr starten wir wie abgemacht in Wünnewil, ausgerüstet mit Stirnlampen und Scheinwerfer. Das erste „Etappenziel“ ist der Schallenberg. Geplant ist eine Ankunftszeit um 7.20 Uhr. Doch wir kommen gut voran und stehen nach 68 Kilometern und genau 3 Stunden Fahrzeit, 20 Minuten früher als geplant auf der Passhöhe. Dort erwarten uns meine Schwester Alani und meine Mutter mit der ersten Zwischenverpflegung.
Schallenberg – Luzern: Eine Viertelstunde später fahren wir bereits wieder ab. Das nächste Ettappenziel: Luzern. Es ist eine schöne Ettappe, der Morgen erwacht und da in den katholischen Kantonen heute ein Feiertag ist, bleibt es ruhig auf der Strasse und in den Dörfern. 70 Kilometer und 2 Stunden und 10 Minuten später stehen wir vor dem Verkehrshaus am Vierwaltdstättersee. Natürlich haben wir in Malters, bei der Skifabrikation von Stöckli Ski, meiner Skimarke, einen kurzen Fotohalt eingelegt. Das Durchschnittstempo von über 30 km/h in der 2. Ettappe sagt Vieles aus – wir haben mehr Höhenmeter „vernichtet“ als gewonnen, aber wir sind auch sonst gut vorwärts gekommen. Eine knappe halbe Stunde Pause gönnen wir uns in Luzern – wir haben schliesslich einen guten Vorsprung auf unsere geplante Marschtabelle. Auch hier werden wir von Alani und Mami verwöhnt und verpflegt. Sogar meine Grossmutter ist extra nach Luzern gereist um uns weiterhin zu motivieren!
Luzern – Arth: Die nächste Ettappe nach Arth führt uns dem Vierwaldstättersee und dem Lauerzersee entlang. Wunderbare Teilstücke mit herrlicher Aussicht und wenig Verkehr. Wir geniessen das schöne Wetter, es ist sonnig aber dennoch nicht zu heiss. 54 Kilometer und etwas mehr als 1 Stunde und 50 Minuten später stehen wir am schönen Zugersee in Arth. Auch hier werden wir super verpflegt und unterstützt. Einen Motivationsschub erhalten wir von Jan Deman, einem belgischen Kollegen welcher nicht weit von hier lebt und der Mario vom Velofahren kennt. Er ist extra nach Arth gekommen und hat sich für unsere Tour interessiert. Danke Jan für deine motivierenden Worte (und deine Spende). Auch hier gönnen wir uns eine längere Pause von knapp 30 Minuten.
Arth – Sursee: Die 58 Kilometer von Arth nach Sursee bestehen aus einer Uferfahrt am Zugersee und einer Uferfahrt entlang dem Sempachersee. Zwischendrin fahren wir über hügeliges Gebiet, die Rigi und der Pilatus immer in Sichtweite. Nach weiteren 2 Stunden und 5 Minuten essen wir gefühlt das hundertste Sandwich und trinken wiederum gefühlt einen Hektoliter Cola.
Sursee – Ursenbach: 25 Minuten später und genau 11 Stunden nach unserem Start in Wünnewil schwingen wir uns immer noch ziemlich gut im Schuss auf unsere Räder. Für die 44 Kilometer lange Fahrt nach Ursenbach benötigen wir 1 Stunde und 44 Minuten. Auf der Strecke imponiert uns das wunderschöne und riesige Kloster in St. Urban. Wir wissen, dass in Ursenbach ein paar Freunde vom Skiclub Häusernmoos auf uns warten. So sind wir natürlich doppelt motiviert unsere Fahrt weiterhin zügig und mit viel Freude zu absolvieren. Welch schöner Empfang, in Ursenbach wird applaudiert und auf einem Tisch stehen viele (kalorienreiche) und köstliche Leckereien für uns bereit. Auch an Flüssigem fehlt es nicht und vor allem die motivierenden und bewundernden Worte der lieben Freunde treiben uns an, auch die fehlenden Kilometer mit viel Elan unter die Räder zu nehmen. Schade können wir nicht länger bleiben und die Gesellschaft geniessen – aber wir haben eine Mission zu erfüllen. Vielen Dank liebe Häusernmöösler für den Empfang, die Verpflegung und die grosszügigen Spenden für die Urwaldschule! Knapp 30 Minuten Pause und schon sitzen wir wieder auf dem schmalen Sattel.
Ursenbach – Zollikofen: Die nächsten 46 Kilometer sind in 1 Stunde und 40 Minuten geschafft. Doch die ersten paar Kilometer nach Schmidigen fordern noch einmal ein paar „Steigungsmuskeln“. Aber was kann uns nach so vielen Kilometer noch bremsen? Beim Ortsschild in Schmidigen passieren wir die 300 Kilometermarke. Und kurz darauf werden wir von weiteren Freunden vom Skiclub und einer grösseren, zufällig anwesenden Gesellschaft, angefeuert. Danke Chrige und Sile für den spontanen Motivationskick! Hier und da schmerzen vielleicht ein paar Muskeln oder Gelenke, doch je näher das Ziel rückt, desto mehr freuen wir uns und dies lässt uns die kleinen Wehwehchen schnell vergessen. In Zollikofen tanken wir noch einmal unsere Trinkflaschen und 10 Minuten später starten wir auf die letzten 25 Kilometer.
Zollikofen – Wünnewil: Dieses letzte Teilstück ist auf heimischem Boden, wir kennen jede Ecke und dennoch verpassen wir eine Abzweigung welche wir laut unserer Routenplanung hätten nehmen sollen. Was soll’s, wir fahren einfach sonst eine Route. Doch damit wir nicht etwa noch weniger als die geplanten 361 Kilometer radeln, legen wir mitten in der Stadt noch einige Umwege ein, bevor wir dann ab dem Europaplatz auf direktem Weg dem Ziel entgegen düsen. Auf den letzten Kilometern führe ich die Gruppe noch einmal an, ich darf unsere unglaubliche Leistung – sportlich aber auch aus Sicht des ganzen Projektes – in Front geniessen und in mich aufsaugen. Papi sagt mir ein paar Mal, dass ich das Tempo etwas drosseln soll und den letzten Aufstieg nicht wie der ehemalige Bergfloh Beat Breu in Angriff nehmen soll. Doch wie ein Magnet zieht es mich in Richtung Ziel. Ich geniesse jeden Meter der letzten zwei Kilometer!
Empfang in Wünnewil, 20.00 Uhr – 16 Stunden nach Abfahrt, 13 Stunden und 23 Minuten Fahrzeit, 365 Kilometer: welch ein grandioser Empfang wird uns oben in Wünnewil geboten. Die ganze Strasse wird gesperrt und ich darf wie ein Weltmeister durch das Zielband fahren. Neben den vielen Privatpersonen mit Handy und Kameras ist sogar der Pressefotograf der Freiburger Nachrichten anwesend. Unter tosendem Applaus und mit viel Lärm von Glocken und Hupen geniessen wir alle unsere vollbrachte Leistung. Schulterklopfen, Bewunderung, lobende Worte und vieles mehr dürfen alle drei von uns von vielen lieben Leuten entgegen nehmen.
Überreichung des Schecks für die Urwaldschule: Nach diesem langen und körperlich wie auch psychisch anstrengenden Tag, mit vielen schönen und tollen Eindrücken und auch etwas müde, stehe ich vor die Menschenmenge und halte eine Ansprache. Ich danke allen Spenderinnen und Spender welche einen kleineren oder grösseren Betrag spenden werden, den grosszügigen Firmenspender, welche mit einem grösseren Betrag die Urwaldschule unterstützen, Alani und Mami, welche uns während der Fahrt grossartig betreut und verpflegt haben, Mario, der uns mit seinen wertvollen Tipps auf ein gutes Gelingen der Tour vorbereitet und uns perfekt begleitet hat und meinem Lehrer, welcher mich und mein Projekt zu 100 % und mit grossem Vertrauen unterstützt hat. Und nicht zu vergessen, Reto Brennwald dem Journalisten welcher den Kontakt zu Claudio Righetti und Yann Roux herstellen konnte – diese Herren haben mich unglaublich gut in der ganzen Vorbereitung und den notwendigen Schritten für einen erfolgreichen Abschluss des Projektes unterstützt. Zu guter Letzt, aber von enormer Wichtigkeit war die Mitarbeit der Presse – die grossartigen Berichterstattungen in den Freiburger Nachrichten, dem Sensetaler, der Berner Zeitung und dem Radio Freiburg haben dazu beigetragen, das Projekt bekannt zu machen und somit auch viele Spenden generieren zu können. Ich werde auch in Zukunft viel von diesem Gelernten profitieren können.
Mit viel Freude und grossem Stolz darf ich nun einen „pro forma“ Scheck von sage und schreibe
CHF 15’000.00
an die Gründerin der Urwaldschule in Ecuador, Christine von Steiger, überreichen. Wow, auf dem Platz herrscht ein riesengrosses Erstaunen und eine unglaubliche Freude! Merci viel Mal an alle, welche zu diesem grossartigen Resultat beigetragen haben. Jeder Franken wird 1 zu 1 von Christine persönlich nach Ecuador gebracht und dort für ganz tolle und nachhaltige Projekte eingesetzt!
Route und Statistik:
Die gefahrene Route mit Zeiten, Kilometer, Höhenmeter und sogar Fotos können unter nachfolgendem Link eingesehen werden: https://ridewithgps.com/trips/68536147
Weitere Zahlen – der Verzehr von 3 Radfahrern:
2,4 Meter Baguette-Sandwiches mit Käse, Salami und Schinken
7,5 Liter Cola
11 Liter Wasser
Bananen, Kirschen, Getreidestängel, Power-Shots
Diverse Leckereien und weitere 3 kleine Flaschen Cola am „Buffet“ in Ursenbach